inSIGHTS – Einblicke in die Gründerinnenseele. Heute: Kollaboration schlägt Konkurrenz.

Unter der Rubrik „inSIGHTS“ schreiben die beiden Gründerinnen des juggleHUB – Katja und Silvia – über Herausforderungen, Gefühle und Erkenntnisse, die das Gründerinnen-Dasein so mit sich bringen.

Heute schreibt Katja über ihren Weg in die Coworking-Szene und die Wichtigkeit des Loslassens.

 

Mit Konkurrenz konnte ich noch nie gut umgehen. Setze mich einer Konkurrenzsituation aus und du kannst ziemlich sicher sein, dass ich es vermasseln werde – selbst Dinge, die ich eigentlich gut kann. Konkurrenz lähmt mich, meinen Körper und meinen Geist. Vielleicht ist es genau dieses Unbehagen, das mich letztendlich auf meinen Weg geführt hat, einen Coworking Space zu gründen. Mehr noch: einen Community getriebenen Coworking Space.

 

Als Silvia und ich 2015 anfingen, an unserer Idee zu arbeiten, wussten wir so gut wie nichts über Coworking. Tatsächlich wussten wir nicht einmal, dass das, was wir machen wollten, bereits einen Namen hatte. Erst in der Gründungsphase merkten wir, dass es schon viele ähnliche Orte gab, wie den, den wir uns vorstellten. Orte, wo miteinander gearbeitet wurde, an denen es aber vor allem viel Raum für Austausch und Vernetzung gab. Plötzlich waren wir mittendrin in der Berliner Coworking-Szene. Tolle Leute, die wir einfach um Rat fragen konnten und die ihre Erfahrungen bereitwillig mit uns teilten. Konkurrenz schien keine Rolle zu spielen. Stattdessen herrschte ein Klima der gegenseitigen Unterstützung. Das ging so weit, dass andere Space-Manger*innen Leute zu uns schickten, aus der Überzeugung heraus, dass unser Umfeld besser zu ihnen passte als ihr eigenes. 2017 organisierten wir als „Berlin Coworking“, einem Zusammenschluss von Spaces, das erste Berliner Coworking Festival. Spätestens jetzt fühlten wir uns als Teil einer großen Gemeinschaft.

 

Berlin Coworking

 

Wir spürten, dass Coworking nicht nur eine Dienstleistung ist und die Community, die sich langsam aber stetig im juggleHUB bildete, nicht nur Mittel zum Zweck. Coworking, wie wir es erlebten, fühlte und fühlt sich nicht wie ein „Business“ an, das wir strategisch gestalten können. Und unser Space nicht als Dienstleister, der sich auf einem Markt mit anderen Dienstleistern einen möglichst großen Teil vom Kuchen sichern muss und will. Vielmehr ist er die räumliche Abbildung eines übergeordneten Ziels.

 

Brian Robertson, Gründer und Verfasser von „Holacracy“, nennt es ein „evolutionary purpose“:

 

„It relates to the difference it wants to make in the community it operates in, as well as in the marketplace it serves. It is not concerned with competition or outperforming others; it is serving the ‘greater good’ that matters.“

 

The greater good. Was wir mit dem juggleHUB wollen, ist zwischenmenschliche Verbindungen zu fördern und ein Umfeld zu schaffen, in dem andere wachsen können. Dabei stehen wir als Gründerinnen vor der Herausforderung, unser „Baby“ ein Stück weit von uns zu entkoppeln, es von unseren Erwartungen und Zuschreibungen frei zu machen und ihm Raum zu geben, sich unabhängig von uns zu entwickeln. Eltern zu sein, kann dabei übrigens ganz hilfreich sein. Denn im Prinzip ist es dasselbe, was für unsere Kinder gilt: Wenn sie klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel.

 

Robertson:

 

„Figuring out “What is this organization’s calling?” Not “What do we want to use this organization to do, as property?” but rather “What is this life, this living system’s creative potential?” That’s what we mean by evolutionary purpose: the deepest creative potential to bring something new to life, to contribute something energetically, valuably to the world. … It’s that creative impulse or potential that we want to tune into, independent from what we want ourselves .“

 

Seine Worte beschreiben ganz gut den Prozess der Selbstreflektion, in dem wir uns gerade befinden. Die ersten zweieinhalb Jahre, seit wir den juggleHUB 2016 eröffnet haben, waren geprägt vom Aufbau der Räume und davon, Mittel und Wege zu finden, ihn sinnvoll zu führen, ihn zu verwalten (wo es sein muss), und die Welt da draußen auf uns aufmerksam zu machen.

Inzwischen finden immer mehr Menschen den Weg zu uns und viele bleiben für länger. Sie teilen ihre Geschichte mit uns, setzen ihre Ideen um, werfen Ballast ab und starten etwas Neues. Lebenswege kreuzen sich und Freundschaften entstehen. Und wir spüren immer deutlicher das Eigenleben, das der juggleHUB entwickelt.

 

 

Gleichzeitig hatten wir in den vergangenen Monaten immer wieder den Impuls, jetzt doch mal „professioneller“ werden zu müssen, unser „Produkt“ zu definieren und ein einheitliches Design für unsere Kommunikation zu entwickeln. Ist es nicht das, was ein erfolgreiches Unternehmen tut? Tun muss? Wir setzten uns also hin und versuchten ein Konzept zu schreiben: Das ist der juggleHUB. Und diese Farben und dieser Font spiegeln unsere Philosophie wider. Oder doch lieber Türkis?

 

Wir brachen mehrfach auf halber Strecke ab, weil wir es gedanklich einfach nicht zusammen bekamen, was er denn nun ist, dieser (oder dieses?) juggleHUB. Natürlich kennen wir unser Angebot, aber immer wenn wir darüber schreiben und versuchen, juggleHUB in ein Raster zu pressen, fühlt es sich unvollständig an. Es fehlt etwas. Etwas, das sich nicht eignet, um es als Bullet Point in einen Pitch zu schreiben. Ein Gefühl vielleicht. Oder eben – wie Robertson es nennt, die Identität des juggleHUB, die sich ganz unabhängig davon entwickelt, was wir als Gründerinnen ihm zuschreiben oder was wir erwarten, wie andere ihn sehen sollen.

 

Müssen wir also wirklich definieren, was der juggleHUB ist? Müssen wir seinen Weg vorgeben? Können wir das überhaupt? Ist es wirklich sicherer, alle Fäden in der Hand zu halten, statt loszulassen und darauf zu vertrauen, dass sein Sinn sich auf die bestmögliche Art entfalten wird? Dann nämlich, wenn wir in die Menschen vertrauen, die diesen Ort für sich ausgesucht haben und die Lust haben, ihn mitzugestalten?

 

Holacracy

Photo by Justin Luebke on Unsplash

 

Mit diesen Fragen sind wir in das neue Jahr gestartet. Das Jahr, das sich noch stärker als die ersten beiden Jahre um die Menschen drehen wird, die hier sind: Community statt Corporate Design, zusehen, wie unser „Baby“ seine Flügel ausbreitet, und ihm dabei bestmöglich den Rücken frei halten – vielleicht ist das unsere Rolle.

 

Wir wollen dazulernen – insbesondere von den Menschen, die Coworking genau so sehr lieben wie wir. Und die uns immer wieder zeigen, dass:

 

  • es ein Netzwerk statt Ellbogen braucht, um erfolgreich zu sein,
  • es nicht nur Platz für einen oder eine gibt, sondern die Idee und das übergeordnete Ziel sich viel besser gemeinsam verfolgen lassen, und
  • dass Kollaboration ein stärkerer Treiber für Veränderungen und Erfolg ist als Konkurrenz – und ganz nebenbei richtig glücklich macht.

 

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